Die Bewohnerinnen und Bewohner von Heimen und Einrichtungen haben nicht nur
den Anspruch, angemessen pflegerisch versorgt und betreut zu werden, sondern sie
möchten auch bei Pflegebedürftigkeit im Rahmen ihrer verbliebenen Möglichkeiten
ein „normales“ Alltagsleben führen, das ihre Privatsphäre und ihre Bedürfnisse
respektiert. Dies wird durch die vollstationäre Wohnform der „Hausgemeinschaft“
in besonderem Maße umgesetzt, da diese eine hohe Wohnlichkeit und Individualität
mit einer intensiven Betreuung und qualitätvollen Pflege
verbindet.
Auch bei Anwendung heimrechtlicher, aber auch weiterer, den Lebensalltag im
Heim prägender Vorschriften wird sichergestellt, dass die Eigenständigkeit des
Bewohners und die Integrität seines Lebensraumes gewahrt werden.
Die Hausgemeinschaft, der auch als „Vierte Generation im Pflegeheimbau“
bezeichnete Pflegeheimtyp, zeichnet sich durch eine „familienähnliche“
Wohnlichkeit, Kleinteiligkeit der Wohngruppen und eine sehr hohe
Betreuungsqualität aus. Erreicht wird dies durch kleine, für die Bewohnerinnen
und Bewohner überschaubare Betreuungsgruppen und den Abbau möglichst aller
zentralen Versorgungseinrichtungen, beispielsweise der Zentralküche.
In jeder Wohngruppe wird also eigenständig gekocht, die Hauswirtschaft
organisiert und der Tag gemeinsam verbracht.
Verantwortlich für die Tagesgestaltung sind sogenannte Alltagsbegleiterinnen,
auch Präsenzkräfte genannt. Gemeinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern und
häufig auch mit deren Angehörigen managen sie den Haushalt und
unterstützen die Mitarbeiter der Fachpflege.
Durch die Rückführung der hauswirtschaftlichen Tätigkeiten in das
direkte Lebensumfeld der Bewohner ist nicht nur mehr Personal für eine
persönliche Ansprache verfügbar, sondern auch der Alltag wieder mit Aufgaben und
Leben erfüllt. Hiervon profitieren Bewohner mit beeinträchtigter
Alltagskompetenz (demenzielle Erkrankungen) in besonderem Maße, da sie auf eine
sinnvolle Tagesstrukturierung und einen direkten Kontakt zu einer
Betreuungsperson angewiesen sind.
Aus diesem Grund hat sich die Hausgemeinschaft zu Beginn ihrer Entwicklung
insbesondere als geeignete Wohnform für diese Personengruppen empfohlen.
Allerdings setzt sich das Hausgemeinschaftsprinzip zunehmend auch als
Alternative zu herkömmlichen Pflegeheimkonzepten und in ambulant betreuten
Wohnprojekten durch. Letztere werden als ambulant betreute Wohngemeinschaften
oder Gruppenwohnungen bezeichnet und entstehen häufig in Kooperation von
Wohnungsbaugesellschaften und Pflegeanbietern, überwiegend in städtischen
Wohnquartieren.
Ob sich eine Hausgemeinschaft für die Betreuung von Menschen mit gestörter
Alltagskompetenz in besonderem Maße eignet, hängt im Wesentlichen also von deren
Größe und Zuschnitt ab. Idealerweise sollte eine Gruppengröße von 8 bis 12
Bewohnerplätzen nicht unter- bzw. überschritten werden.
In einer Hausgemeinschaft lassen sich die Bedürfnisse nach Vertrautheit,
Geborgenheit, Orientierung, Sicherheit, Alltagsnormalität, Begleitung,
Selbständigkeit, Selbstbestimmung, Gemeinschaft und Privatheit im hohen Maße
auch in Form einer vollstationären Pflege realisieren.
Bei diesem anspruchsvollen Pflege- und Betreuungskonzept sollten auch bei der
individuellen Wohnqualität für die Bewohner keine Abstriche gemacht und alle
Pflegezimmer als Einzelzimmer ausgeführt werden. Dies unterscheidet die
Hausgemeinschaft gravierend von Wohnformen in Mehrbettzimmern, den sogenannten
Pfleg e-Oasen, bei denen immobile, hochgradig demenziell Erkrankte in
Mehrbettzimmern ohne Privatsphäre gepflegt werden.
Ein eigenes Zimmer ist in einer Hausgemeinschaft nicht nur im Hinblick auf
eine nachhaltige Bewirtschaftung von Bedeutung (Belegung), darüber hinaus
erfordert die eingangs beschriebene, intensive soziale Nähe in
Hausgemeinschaften auch gesicherte Rückzugsmöglichkeiten, gerade bei beginnender
oder leichter Demenz. Auch Angehörige schätzen das eigene Zimmer für den
Bewohner hoch ein, nicht zuletzt damit sie sich mit ihrem Angehörigen zu einem
ungestörten, privaten Gespräch zurückziehen können.
Die dezentrale Raumorganisation ist eine wichtige Vorraussetzung, dass sich
die Aktivitäten in den „Wohngruppen“ an einem „normalen“ („Alten“-)Haushalt
orientieren können, wobei die notwendige Pflege immer individuell im Rahmen
einer Bezugspersonenpflege geleistet wird.
Aus diesem Grund wird auf einen zentralen Speisesaal und eine Zentralküche
zugunsten komplett ausgestatteter Wohnküchen in jeder Hausgemeinschaft
verzichtet, denn die gesamte Hauswirtschaft und Speisenversorgung wird, bis auf
wenige zentrale Leitungsaufgaben (Überwachung der Hygiene, QM), von den
einzelnen Hausgemeinschaften verantwortlich und in Eigenregie wahrgenommen. Eine
Anlieferung von Speisen Externer wird nur in Krisenzeiten erfolgen.
Die Andienung der einzelnen HG´s (Anlieferung von Speisen, Verbrauchsmaterial
usw.) wird möglichst auf die externen Dienstleister/Zulieferer verlagert, um
unnötige Wegezeiten für die Präsenzkräfte zu vermeiden.
Die Wohnküchen sind entsprechend dem Hausgemeinschaftskonzept baulich und
technisch so ausgestattet, dass eine Selbstversorgung (Zubereitung der Mahlzeit
en und allgemeine hauswirtschaftliche Versorgung) nach den einschlägigen
Verordnungen, insbesondere der Lebensmittelhygiene-Verordnung, möglich ist.
Die Alltagsbegleitung, die sich aus den Mitarbeitern der Hauswirtschaft,
sozialen Dienst und Pflegehilfskräften zusammensetzt, arbeitet grundsätzlich
nicht in der Pflege/Betreuung mit, sondern erhält eine eigenständige
Aufgabenbeschreibung mit einem eigenen Rahmendienstplan. Sie unterstützt
allerdings die Pflege und Betreuung, wie auch diese die Alltagsbegleitung
unterstützt.
Die Pflegedienstleitung versteht sich im übertragenen Sinn als Einsatzleitung
(zentrales Büro) für die fachpflegerischen Aufgaben. Die Alltagsbegleiter oder
die sog. Präsenzkräfte werden durch eine Leitung der
Alltagsbegleitung/Hauswirtschaft koordiniert.
Durch die Umsetzung der Hausgemeinschaftskonzeption wird mehr Personal in der
unmittelbaren Nähe des Bewohners verfügbar, erlebbar gemacht. Dies schlägt sich
in der zur Verfügung stehenden Nettoarbeitszeit pro Bewohner und Tag im direkten
Umfeld des Bewohners nieder.
Der „Mehrwert“ entsteht im Wesentlichen durch die Präsenzkräfte, die den
einzelnen Hausgemeinschaften unmittelbar zugeordnet werden und denen im
Regelfall 60 Minuten pro Tag und Bewohner zur Verfügung stehen ihre vielfältigen
Aufgaben zu erledigen.
Dass in dieser Zeit auch hauswirtschaftliche Tätigkeiten von den
Präsenzkräften erbracht werden müssen, schmälert den Wert nicht, da deren
Tätigkeiten im Wohnessbereich, -der sozialen Mitte einer Wohngruppe-, den Tag
für die Bewohner quasi automatisch sinnvoll strukturieren. Darüber hinaus sorgen
die Alltagsbegleiter auch für ein deutlich störungsfreieres Arbeiten der
Pflegefachkräfte, in dem sie die Bewohner beschäftigen, Anrufe annehmen und sich
auch um die Angehörigen kümmern.
Diese multifunktionale Aufgabenstellung setzt neben einer
hauswirtschaftlichen Kernkompetenz eine persönliche Eignung voraus, die
sorgfältig geprüft werden muss. Darüber hinaus müssen diese Mitarbeiter durch
entsprechende Schulungen auf ihre Aufgaben zielgerichtet vorbereitet werden.
Beste Erfahrungen wurden mit älteren Mitarbeiterinnen gemacht, die nach der
eigenen Kindererziehungsphase eine sinnvolle Beschäftigung im sozialen Bereich
suchen. Die persönliche Eignung ist für diese Aufgabe wesentlich bedeutsamer als
eine eher technische Fertigkeit.
Die sogenannten Kräfte nach § 87b SGB XI sind in Hausgemeinschaften eine
ideale Ergänzung der Alltagsbegleitung und eine wirksame Unterstützung der
Fachpflege und Betreuung.